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NZZ 19.01.2020


«Polizeiruf 110»: Der Osten sucht seine zweifelhaften Väter
Liebe liegt in der Luft, und der Ermittler Bukow entdeckt den edlen Ritter in sich. Die Folge «Söhne Rostocks» ist ein rauer Gefühlskrimi mit einem grossen und bemerkenswert weichen Herzen.
Kaum ist die Titelmelodie vorbei, liegt er da, der Tote. Sascha Bukow (Charly Hübner) hatte nicht einmal Zeit, seine Pistole zu entsichern, da stürzte ihm die Leiche schon entgegen. Sie fällt den stattlich gebauten Ermittler wie einen Baum. Wer dabei an Komik denkt, wie sie von Berufskollegen in Münster gepflegt wird, täuscht sich allerdings.
Zu ernst steht es um Rostock, als dass man amüsiert sein dürfte. Koks gibt es unter jeder zweiten Brücke, die Reichenviertel prahlen hysterisch, und jeder Kleingarten scheint ein Verbrechen zu verbergen. «Rostocks Söhne» ist kein Krimi, der einer klassischen Dramaturgie folgt und bei dem am Anfang Gefahr im Verzug wäre. Es ist ein Sozialdrama, das die Herzen der Menschen einer Stadt auslotet, die der Gewinner wie die der Verlierer.
Vater wider Willen
Das Drehbuch erzählt von Söhnen, die ihren Müttern wegrutschen, von leiblichen Vätern, Ziehvätern, wiedergefundenen Vätern. Es legt den Episodenfiguren Sätze wie Faustschläge in den Mund; und die Regie von Christian von Castelberg verdichtet die Beziehungen zwischen den Figuren bisweilen zu einem Realismus à la Ken Loach. Auch Rostock tut das Seine. Ob man es Ost-Charme nennt oder Ost-Mief, die Stadtkulisse unterstützt die Suche nach der Sehnsuchtsfigur Vater – und das Leiden der hier bedenklich heroischen Mütter – ideal.


Daniele Muscionico